Mit Honduras, El Salvador und Guatemala sind es drei Länder Zentralamerikas, die zurzeit die weltweit höchsten Homizidraten aufweisen. Costa Rica und Nicaragua jedoch, die anderen beiden Länder der Region, verzeichnen relativ niedrige Homizidraten.Die Autorin untersucht die Gründe hierfür, indem sie ein eigenes Theoriemodell vorschlägt und dieses über einen stringenten Fünf-Länder-Vergleich überprüft. Die empirischen Daten stammen aus mehrfacher und ausgedehnter Feldforschung der Autorin in der Region (darunter rund 250 Experteninterviews)
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El Salvador hat die höchste Gewaltrate Zentralamerikas. Zwar liegt das Ende des Bürgerkriegs bereits 15 Jahre zurück, doch danach ging die Gewaltrate nicht zurück. Vielmehr wies sie einen sinusartigen Verlauf auf – sie stieg zunächst stark an, um dann für kurze Zeit abzunehmen und schließlich seit 2003 wieder beträchtlich zuzunehmen. Dafür identifiziert Heidrun Zinecker zwei Ursachen: Die eine sind die zugleich repressiven und defizitären staatlichen Institutionen, insbesondere die Polizei und die Justiz. Dies führt zu einer hohen Straflosigkeit, sodass Schuldige nicht verurteilt werden. Dagegen sitzen Unschuldige in den Gefängnissen ein. Die Defizite des Sicherheitssektors erklären die "Buckel" der Sinuskurve. Das generell hohe Gewaltaufkommen erklärt sich dagegen durch die sog. remesas, Renten, die ausgewanderte Salvadorianer an ihre Familien nach Hause schicken – meist aus den USA. Auf diese Weise wird Arbeit im Inland stark entwertet und stattdessen wird der Zugang zum Markt über Gewalt angestrebt. Damit besitzt – in Verbindung mit den remesas – der Exodus der Salvadorianer einen höheren Erklärungswert für den massenhaften unnatürlichen Exitus als die Defizite der staatlichen Institutionen. Exodus sowie Exitus sind Zeichen einer perversen Globalisierung von neuer Rente und Gewalt. Es handelt sich dabei um eine lose-lose-Situation, denn am Ende werden die durch die remesas zufließenden Finanzen von den Kosten der Gewalt aufgefressen.
Wahr ist, dass die kolumbianische Drogenökonomie von Gewalt begleitet wird und die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Staat, Guerilla und paramilitärischen Gruppierungen finanziert. Allerdings sind Drogenproduktion und -handel nicht Ursache des Krieges in Kolumbien. Diese These vertritt Heidrun Zinecker und belegt sie anhand der historischen Entwicklung der Drogenökonomie sowie ihrer Verflechtung mit der Gewalt auf allen Konfliktseiten. So hat es Gewalt in Kolumbien bereits gegeben, bevor die Idee des Drogenhandels überhaupt aufkam. Die Losung, der Krieg in Kolumbien könne nur beendet werden, wenn das Drogenproblem gelöst sei, geht folglich an der Realität vorbei. Ebenso verhält es sich mit regionalen Maßnahmen wie dem Besprühen von Kokafeldern, denn das Drogenproblem ist ein globales Problem, das auch nur global gelöst werden kann. Bis dies verwirklicht wird, müssen Schritte gegangen werden, die direkt auf eine Reduktion der Gewalt abzielen. Dazu gehört, dass die kolumbianische Regierung nicht nur mit der wichtigsten paramilitärischen Gruppierung AUC weiter verhandelt, sondern auch Gespräche mit den Guerillas, vor allem der FARC, aufnimmt. Im Zuge dieser Verhandlungen müssten allerdings alle Konfliktparteien Zugeständnisse machen, insbesondere durch die Nennung von Verantwortlichen für Gräueltaten und die Akzeptanz von Opferentschädigungen. Die Priorität der Gewalteindämmung schließt natürlich nicht aus, dass Maßnahmen zur Bekämpfung des Drogenhandels dringlich sind – sich allein auf letztere zu konzentrieren, wäre allerdings verfehlt.
Mit 75 Tötungsdelikten pro 100.000 Einwohnern steht Kolumbien an der Spitze internationaler Gewaltstatistiken. Zudem ist es neben Mexiko das einzige Land in Lateinamerika mit einer politisch-militärisch relevanten Guerilla. Bei diesem Krieg der Guerilla gegen den Staat handelt es sich um einen symmetrischen Konflikt, der mittlerweile in einem Patt verharrt und zum Alltag geworden ist. Trotz extremer Kriegsmüdigkeit in der Bevölkerung und großer wirtschaftlicher Probleme des Landes gelang es in den vergangenen zwanzig Jahren nicht, einen alle Guerillabewegungen umfassenden Frieden zu schließen; vielmehr hat sich infolge des Drogenhandels mit den paramilitares ein dritter Konfliktpol etabliert. Kennzeichnend für den kolumbianischen Friedensprozess sind seit 1983 unzählige Gesprächsrunden, die jedoch immer dann steckenblieben, wenn es um die Fixierung und Umsetzung von Verhandlungsthemen ging. Ihnen fehlt ein inhaltlicher Kompromisshorizont, der einen Übergang des gegenwärtigen Regime-Hybrids zu einer Demokratie voraussetzen würde. Um dies zu erreichen, empfiehlt die Autorin den kolumbianischen Konfliktparteien, von den erfolgreichen Friedensprozessen in Zentralamerika zu lernen, ohne diese zu kopieren. Wesentliche Elemente einer gelingenden Transition wären dabei die Vollendung der Bildung des Staates und der Zivilgesellschaft sowie die Eliminierung nichtdemokratischer Regimesegmente. Abschließend beleuchtet die Autorin die Rolle der Bundesrepublik Deutschland als externer Akteur.
"Das Theorem des Demokratischen Friedens berücksichtigt Gewaltkriminalität nicht. Dies geschieht insofern zu Recht, als Gewaltkriminalität zwar die Zivilisiertheit, aber nicht den Frieden in Frage stellt. Unterstellt man eine negative Friedensdefinition als Abwesenheit von Krieg, kann es Gewalt im Frieden selbst mit hohen Raten geben und zwar politischer, aber auch krimineller Natur. Gleichwohl ist Gewaltkriminalität für das Theorem des Demokratischen Friedens, insbesondere für das innerstaatlich bezogene Theorem des Civil Democratic Peace, interessant, weil es durch sie eine noch breitere Anwendungsdimension erhält und gestärkt wird: Denn werden - noch zu spezifizierende - Abweichungen von der bisherigen Konzeptualisierung des Theorems auf Seiten der unabhängigen Variablen (Typ des politischen Regimes) konzediert, dann kann jegliche physische Gewalt, Gewaltkriminalität genauso wie politische Gewalt, darunter Bürgerkrieg, jene inverse U-Kurve der Gewaltverteilung bestätigen, die die Theoretiker des Demokratischen Friedens für die Zeit nach dem Beginn und vor dem erfolgreichen Ende einer Transition zur Demokratie festgestellt haben (vgl. Spanger/Schesterinina in diesem Band). Die Forschung zum inneren Demokratischen Frieden hat insofern Fortschritte, nicht zuletzt was ihre Grundannahmen betrifft, gemacht, als sie erstens ihren Gewaltbegriff zwar nicht auf Gewaltkriminalität, aber immerhin über Krieg hinaus auf die gesamte politische Gewalt erweitert hat. Zweitens bezieht sie inzwischen systematisch die in der Grauzone zwischen Autokratie und Demokratie verorteten 'in-between-regimes', also Regime-Hybride (vgl. Zinecker 2009b: 302331), ein, und zwar als ein in der Regel konsolidiertes Ergebnis von 'stalled transitions' im Sinne von 'incomplete democratization', allerdings ohne die Ergebnisse der Grauzonen-Forschung tatsächlich zur Kenntnis zu nehmen (vgl. Zinecker 2005: 313-336). Drittens ergänzt sie mittlerweile das Set der unabhängigen Variablen für innergesellschaftliche Gewalt - politisches Regime und (In-)Stabilität politischer Institutionen - um die Variable einer wie auch immer definierten defizitären (etwa rentenabhängigen) wirtschaftlichen Entwicklung. Daran kann, wenn auch modifizierend, angeknüpft werden. In diesem Kapitel soll am Beispiel der Gewaltkriminalität in Zentralamerika gezeigt werden, dass das Theorem des Civil Democratic Peace auf Gewaltkriminalität erweiterbar ist, insofern eingeräumt wird, dass Gewaltkriminalität genauso konsolidiert sein kann wie die hybriden Regime-Ergebnisse einer 'stalled transition'. Das heißt, dass weder Regime-Hybridität noch mit ihr einhergehende Gewalt transitorisch ist und dass nicht Regime-Hybridität 'an sich' und auch nicht defizitäre wirtschaftliche Entwicklung 'an sich' und nicht einmal rentenabhängige defizitäre wirtschaftliche Entwicklung 'an sich', sondern nur ganz spezifische Varianten dieser beiden Variablen, und zwar in ihrer Kombination, hohe Gewaltkriminalität verursachen. Ob das im Folgenden vorzustellende Kausalmodell nicht nur auf Gewaltkriminalität, sondern auch auf über den Bürgerkrieg hinausgehende Gewalt schlechthin, und dies nicht nur auf Zentralamerika, sondern sogar universell anwendbar ist, bleibt zu überprüfen. Zentralamerika wurde hier als Fall (mit induktiver Funktion) gewählt, weil in keiner anderen Region der Welt die weltweit höchsten Homizidraten - der verlässlichste Indikator für physische Gewalt - so geballt, nämlich in drei von fünf Ländern der Region, auftreten und weil es als historisch-politisch relativ homogen gewachsene Region einen Vergleich gut kontrollieren lässt. Vergleichsmethodologisch wird entsprechend dem variablenorientierten qualitativen Vergleich nach Charles Ragin vorgegangen, der es ermöglicht, komplexe Kausalität, und zwar mehrerer unabhängiger Variablen bezogen auf mehrere Fälle, zu erfassen. Zugleich wird die Mill'sche vereinigte Methode der Übereinstimmung und des Unterschieds angewandt, insofern sie mit der kontrafaktischen Konditionalanalyse (vgl. Haussmann 1991: 30) korrespondiert. Letztlich wird von beiden Ansätzen postuliert, dass eine unabhängige Variable nicht nur in all den Fällen anwesend sein muss, in denen sie eine bestimmte abhängige Variable hervorrufen will, sondern zugleich in den Fällen abwesend sein muss, in denen dieselbe abhängige Variable nicht auftritt, damit sie kausale Geltung beanspruchen kann (vgl. auch Geddes 1990: 132). Ausgerüstet mit dieser Methode, wird im vorliegenden Kapitel keine Phänomenologie gegenwärtiger Gewalt angestrebt, sondern ausschließlich eine Kausalanalyse, und auch diese nur in ihren Grundzügen." (Textauszug)
En aquest article, la societat civil es defineix com un àmbit no normatiu, sinó analiticològic, que constitueix una esfera de societat diferenciada dels àmbits circumdants de la família, l'economia i l'estat. La societat civil, segons el concepte que es presenta aquí, és realitat (no utopia); és política, però no democràtica per naturalesa; no està lligada a la democràcia i no és civilitzada per naturalesa. En la situació ideal, cosa rara als països en vies de desenvolupament, els àmbits circumdants (estat, família, economia) i també la societat civil són potents. En aquestes circumstàncies no existeix cap joc de suma zero entre la societat civil i els àmbits circumdants, sinó equilibri i fins i tot suport mutu. Als països en vies de desenvolupament la situació no sol ser aquesta. En aquests països, els dèficits particulars dels àmbits circumdants influeixen en la societat civil no autònoma des de l'exterior. Als països en vies de desenvolupament, a més a més, la societat civil es fractura a través de canals "no emancipadors" (no democràtics, no econòmics, no civilitzats), que defineixen els processos sociopolítics que, partint d'uns àmbits circumdants deficients, recorren la societat civil i són "més potents" que el canal oposat "no emancipador" corresponent. La combinació respectiva d'aquests canals i els canals oposats serveix com a base per a una tipologia de les societats civils, sobre la qual es pot construir una política de desenvolupament. ; In this article, civil society is defined as a non-normative, analytical-logic realm which constitutes a societal sphere distinct from the surrounding realms of family, economy and the state. Civil society, according to the concept presented here, is reality (not utopia), political, not democratic per se, not bound to democracy and not civilised per se. In the ideal situation, rare in developing countries, the surrounding realms (state, family, economy) as well as civil society are strong. In such circumstances, a zero-sum game is not played out between civil society and surrounding realms, but there is a balance, even mutual support. In developing countries, this is mostly not the case. Instead, in these countries, the particular deficits of the outside, surrounding realms influence the non-autonomous civil society. Moreover, in developing countries, civil society is fractured by ¿non-emancipating' (non-democratic, non-economic, non-civilised) channels, defining socio-political processes which, starting from deficient surrounding realms, run through civil society and are ¿stronger' than the corresponding ¿non-emancipating' opposing channel. The respective combination of these and opposing channels serves as a basis for a typology of civil societies on which development policy can be built. ; En este artículo, la sociedad civil se define como un ámbito no normativo, sino analíticológico, que constituye una esfera societal diferenciada de los ámbitos circundantes de la familia, la economía y el estado. La sociedad civil, según el concepto que se presenta aquí, es realidad (no utopía), es política, no democrática de por sí, no está ligada a la democracia y no es civilizada de por sí. En la situación ideal, algo raro en los países en vías de desarrollo, los ámbitos circundantes (estado, familia, economía) y también la sociedad civil son potentes. En estas circunstancias no existe ningún juego de suma cero entre la sociedad civil y los ámbitos circundantes, sino equilibrio e incluso apoyo mutuo. En los países en vías de desarrollo la situación no acostumbra a ser esta. En estos países, los déficits particulares de los ámbitos circundantes influyen en la sociedad civil no autónoma desde el exterior. En los países en vías de desarrollo, además, la sociedad civil se fractura a través de canales "no emancipadores" (no democráticos, no económicos, no civilizados), que definen los procesos sociopolíticos que, partiendo de unos ámbitos circundantes deficientes, recorren la sociedad civil y son "más potentes" que el canal opuesto "no emancipador" correspondiente. La combinación respectiva de estos canales y canales opuestos sirve como base para una tipología de las sociedades civiles, sobre la que puede construirse una política de desarrollo. ; Dans cet article, la société civile est définie comme un domaine non normatif, mais analytico-logique qui représente une sphère sociétale différentiée des milieux environnants de la famille, l'économie et l'état. La société civile, selon le concept présenté ici, est une réalité (non pas une utopie), elle est politique, non pas naturellement démocratique, elle n'est pas liée à la démocratie et elle n'est pas naturellement civilisée. Dans la situation idéale, assez rare dans les pays en voie de développement, les milieux environnants (état, famille, économie) et aussi la société civile, sont puissants. Dans ces circonstances il n'existe aucun jeu à somme nulle entre la société civile et les milieux environnants, mais plutôt équilibre et même soutien mutuel. Dans les pays en voie de développement, la situation est rarement ainsi. Dans ces pays, les déficits particuliers des milieux environnants ont une influence sur la société civile non autonome depuis l'extérieur. Dans les pays en voie de développement, la société civile se fracture en outre à travers des canaux «non émancipateurs» (non démocratiques, non économiques, non civilisés), qui définissent les processus sociopolitiques qui, à partir de milieux environnants déficients, parcourent la société civile et sont «plus puissants» que le canal opposé «non émancipateur» correspondant. La combinaison respective de ces canaux et les canaux opposés sert de base pour une typologie des sociétés civiles, sur laquelle on peut construire une politique de développement.